Erfolgreich als Autorin: Anja Baumheier im Gespräch

von Julia
Erfolgreich als Autorin: Anja Baumheier im Gespräch

Anja Baumheier lebt mit ihrer Familie in Berlin und arbeitet als Lehrerin für Französisch und Spanisch. 2018 erschien ihr erster Roman „Kranichland“ – der mittlerweile zum Spiegel-Online Bestseller gekürt wurde. 2019 folgte dann mit „Kastanienjahre“ der Nachfolger. Heute spreche ich mit Anja über ihren Weg zum eigenen Buch, die Lust am Schreiben und den Mut, ihren eigenen Weg zu gehen.

Liebe Anja – schön, dass ich dir heute ein paar Fragen stellen darf. Deine Geschichte finde ich total spannend und inspirierend. Wie bringst du das unter einen Hut: deine Familie, deinen Job und die Tätigkeit als Autorin?

Ich arbeite als Lehrerin in Teilzeit und kann inzwischen auf zehn Jahre Berufserfahrung zurückblicken. Beides macht es leichter, nebenher noch zu Schreiben. Meine Tochter ist inzwischen dreizehn Jahre alt und hängt nicht mehr so an mir, sie ist schon recht selbstständig. Freitags habe ich frei, das ist mein Schreibtag. Hinzu kommen die Wochenenden und natürlich die Ferien. Aber im Grunde ist das Schreiben nicht an Tage oder Zeiten gebunden. Wenn ich einmal eine Geschichte angefangen habe, schreibe ich im Kopf die ganze Zeit, sogar nachts im Schlaf.

Wie lange schreibst du schon und wie bist du dazu gekommen?

2015 habe ich mit dem Schreiben begonnen. Gar nicht ernsthaft war das zunächst, sondern erst einmal nur so. Ich wollte probieren, ob ich es schaffe, ein eigenes Buch zu schreiben. Natürlich habe ich immer schon gerne gelesen. Aber das Schreiben war nie wirklich ein großer, langgehegter Wunsch. Das hat sich in der Zwischenzeit ins Gegenteil verkehrt. Wenn ich keine Gelegenheit zum Schreiben habe, fühle ich ein leichtes Unwohlsein.

Wann hast du gemerkt, dass das Schreiben mehr für dich ist als ein Hobby?

Nachdem ich meine Texte Testlesern gegeben und sie Gefallen daran gefunden haben. Zuerst habe ich einen Krimi geschrieben, für den ich aber keinen Verlag gefunden habe. Als ich dann mit „Kranichland“ begonnen habe, hat mich eine große Agentur unter Vertrag genommen und spätestens da wusste ich, das Ganze ist offenbar mehr als nur ein Hobby fürs stille Kämmerlein und scheint Potential zu haben.

Anja Baumheier: Kranichland

Anja Baumheier: Kranichland, rowohlt Verlag

Du hast den Entstehungsprozess deines ersten Buches, den Austausch mit dem Verlag, die Korrekturrunden usw. auf Facebook dokumentiert. Dadurch konnte man quasi live dabei sein und deinen Weg mitverfolgen. Hat es dich Überwindung gekostet, mit deinem künstlerischen Schaffen an die Öffentlichkeit zu gehen?

Nein. Ich bin von Typ her eher extrovertiert und gehe gerne mit anderen in den Austausch. Außerdem hatte ja nichts zu verlieren, da ich lange nicht daran geglaubt habe, dass es überhaupt Leser für meine Romane geben wird. Nicht zu Letzt hatte ich früher einen Blog zum Thema DIY und Nähen. So war ich schon damit vertraut, mich mit anderen auszutauschen und eigene Ideen zu präsentieren. Ich finde das sehr inspirierend, immer wieder.

Wie haben deine Kolleg*innen reagiert, als sie von deiner Autorentätigkeit erfahren haben?

Einige waren überrascht, andere haben gesagt, das Schreiben würde zu mir passen. Ich habe keine Ahnung, was das genau bedeutet, aber es ehrt mich. Im Kollegium scheint der Schreibwunsch recht verbreitet zu sein. Im Schnitt gibt es im Allgemeinen unter Schriftstellern auffallend viele Lehrer.

Hat es in deinen Augen Vorteile, einen sicheren Job als Basis zu haben?

Unbedingt! Kreative Berufe sind toll, man kann sich ausleben, Wünsche ausdrücken, seine Seele nach außen kehren. Aber man ist auch sehr abhängig vom Markt, von Strömungen und Moden und oft kann man sich nicht 100%ig aussuchen, was man wie machen möchte, wenn man damit Geld verdienen muss.

Könntest du dir vorstellen, aus deinem Beruf auszusteigen und hauptberuflich zu schreiben?

Nein. Das wäre mir zu riskant. Ich arbeite gerne als Lehrerin, ebenso gerne, wie ich schreibe. Mit dem Unterrichten bin ich unabhängig vom Markt, habe geregelte Arbeitszeiten, einen berechenbaren Feierabend, eine Absicherung im Krankheitsfall und nicht zu vergessen, die Ferien. Als Freiberufler kann man davon nur träumen.

Wie lange dauert der Prozess bei dir, bis aus ersten Ideen und Notizen dann schließlich ein fertiger Roman wird?

Bei mir sind es zwischen sechs Monaten und einem Jahr. Zunächst habe ich eine grobe Idee. Das kann ein Thema oder eine Figur sein. Zudem schimmert am Horizont eine vage Vorstellung vom Ende der Geschichte. Dann fange ich unverzüglich an. Ich schreibe aus dem Bauch heraus, ohne vorher festgelegte Struktur hangele ich mich von Kapitel zu Kapitel und bin selbst überrascht, wie sich die Figuren entwickeln.

„Niemand weiß, was er kann, bevor er es versucht hat.“

Wie wichtig ist es für dich, deine Kreativität ausleben zu können? Fühlst du dich erfüllter?

Für mich ist das unheimlich wichtig, Erfüllung, fast Lebensgrundlage, und zwar in verschiedenen Bereichen. Früher war es das Nähen. Außerdem zeichne und fotografiere ich gerne und habe mir das Klavierspielen und Stricken beigebracht. Aber, wenn man so will, gehen alle Kreativitätsformen auf denselben Ursprung zurück. Es geht um das Zusammenführen und Interpretieren der Realität mit unterschiedlichen Medien.

Du fährst auch regelmäßig auf Lesereise. Bekommst du dafür Sonderurlaub von deinem Arbeitgeber? Kommt deine Familie dann mit?

Beides nein. Ich lese freitags oder in den Ferien. Zu den Lesungen fahre ich meist allein. Das ist auch gut so. Vor den Aufritten ziehe ich mich stets zurück, um mich zu sammeln. Da bin ich ganz autistisch im Bereich Sozialkontakt.

Hast du dich selbst aktiv bei Verlagen beworben? Kannst du mal umreißen, wie so eine Bewerbung abläuft?

Ich bin bei einer Agentur unter Vertrag. Wenn ich ein Manuskript oder eine Idee habe, nimmt meine Agentin Kontakt mit den Verlagen auf und fragt, ob Interesse an einer Veröffentlichung besteht. Man kann auch versuchen, ohne Agentur an einen Verlag zu kommen, aber das ist viel schwieriger. Agenturen sind eine Art Vorlektorat und die Verlage wissen, wenn Agenturtexte bekommen, haben diese Aussicht auf Verkaufserfolg.

Wenn du das, was du während der letzten zwei Jahre über dich und dein Potenzial gelernt hast, in einem Satz zusammenfassen müsstest: Was würdest du sagen?

Das ist schwer! Vielleicht das: Niemand weiß, was er kann, bevor er es versucht hat.

Welchen Tipp würdest du jemandem geben, der gern ein eigenes Buch veröffentlichen würde?

Schreiben, schreiben, schreiben. Man kann zum Üben beispielsweise einfach Texte von seinem Lieblingsautor abtippen, um ein Gefühl für Sprache zu bekommen. Testleser sollte man immer ernst nehmen. Über das schreiben, was man kennt und nie die Hoffnung aufgeben. Es erscheinen jedes Jahr so viele Bücher, noch viel, viel mehr schlummern in staubigen Schubladen. Ein Buch auf den Markt zu bringen, ist nicht allein Können, sondern manchmal einfach Glück oder Zufall. Das Wichtigste ist, mit dem Herzen dabei zu sein, sonst macht es keinen Spaß.

Vielen Dank, liebe Anja! Und viel Erfolg mit deinem zweiten Buch!

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